Oder wie mich die bisher schönste Reise meines Lebens an meine absoluten Grenzen gebracht hat und sich ein bis dahin unbekanntes Gefühl der Reisemüdigkeit einschlich.
In neun Wochen kreuz und quer durch Peru und Bolivien… Keine richtige Langzeitreise, aber dennoch meine erste längere Auszeit.
Was sich in Youtube Videos als kleinere, sportliche Unternehmung anhörte, hat sich vor Ort als wunderschönes, aber dennoch kräftezehrendes, mittelgrößeres Abenteuer herausgestellt. Dabei haben wir uns eigentlich sehr gut vorbereitet. Zu dem Zeitpunkt der Reise waren wir jung, fit und ich habe sogar ein halbes Jahr vorher 4 Mal die Woche ein intensives Cardio Training betrieben, um mich möglichst gut auf die mehrtägigen Trekkings in den Anden vorzubereiten.
Die Reise startete schon mal gut. Bei einem relativ kurzen Stop in Barcelona, konnte unser Gepäck nicht in den Flieger nach Peru umgeladen werden. So standen wir plötzlich am Flughafen in Lima mit leeren Händen da und haben noch nicht einmal eine verlässliche Auskunft bekommen können, ob, und wenn ja, wann unsere Rucksäcke Peru erreichen würden. Der Aufenthaltsort des Gepäcks: unbekannt.
Was schon bei einem normalen Urlaub nicht so schön ist, war hinsichtlich der benötigten Funktionskleidung und vernünftiger Wanderschuhe für die Treks, mehr als ein Desaster.
So fing das nervenaufreibende Hin- und Her mit Planen -Umplanen-Hotline anrufen-zum Flughafen fahren-zurück ins Hotel an. Nach drei Tagen ohne Auskunft haben wir beschlossen die ganze Ausrüstung in Lima zu besorgen, was nach einem nervigen Shopping Marathon in schlecht ausgestatteten Kaufhäusern der Stadt in einem halbwegs zufriedenstellenden Ergebnis glückte.
Die Route musste aufgrund der bereits gebuchten Transfers in der Pampa des Nordens des Landes umgeplant und einige Sehenswürdigkeiten ausgelassen werden. Nach 10 Tagen erreichte uns dann endlich die Nachricht: wir dürfen zurück nach Lima und das Gepäck abholen. Es wurde doch noch in Barcelona gefunden. Nun hatten wir zwar mehr Ausrüstung als benötigt, die Freude war jedoch sehr groß und das Abenteuer konnte nun endlich richtig starten.
Und dieses Abenteuer hatte es in sich. Neben wunderschönen Kolonialstädten wie Cusco, Arequipa und Naturschätzen wie Huacachina, Paracas, Maras, Colca Canyon und vielen weiteren, standen drei mehrtägige Wanderungen in den Anden auf dem Programm.
Gleich bei dem ersten Trekking hat es uns ernsthaft „erwischt“. Die Höhenkrankheit. Trotz aller Akklimatisierungsbemühungen und trotz aller Vorsicht, sie war da und es war alles andere als lustig.
Auch die sonstigen äußeren Umstände waren nicht so günstig. Das Essen war extrem einfach, die erste Unterkunft hatte keine Heizung und im Zimmer herrschten Temperaturen um die 5 Grad. In der Nacht gingen sie unter Null. Egal wie viel man angezogen hat und wie viele Decken man auf sich hatte. Bei dieser Kälte in Kombination mit erheblichen Symptomen der Höhenkrankheit kann man einfach nicht schlafen. Duschen gab es keine und die Toiletten wenig schön. Solche oder ähnliche Umstände begleiteten uns circa die Hälfte unserer Reise.
Am zweiten Tag des Salkantay Treks wartete die nächste größere Herausforderung auf uns. Der Salkantay Pass mit 4600 Metern Höhe musste überquert werden. Nach dem Pass stand ein (angeblich) sechsstündiger Marsch runter ins Tal an. Das „Problem“ dabei: wir haben leider die Tour so gebucht, dass wir unsere Rucksäcke selbst tragen mussten. Über die Einschätzung der Peruaner zur benötigten Zeit konnte ich zwar zunächst lachen. Nach ca. 10 Stunden Trekking im nicht ganz einfachen Gelände war mir jedoch nicht mehr nach Lachen zumute.
Mein rechtes Knie und der Rücken taten dermaßen weh, dass kein Schritt ohne Ibuprofen auch nur denkbar war. Da man mitten im Nirgendwo war, hieß es allerdings: „Augen zu und durch“.
Auch im Krankenhaus in Cusco konnte mir nicht geholfen werden. Die Salben und Cortison-Injektionen haben leider nichts gebracht. Es hieß entweder die nächsten Trekkings stornieren oder Zähne zusammenbeißen. Da wir wussten, dass eine Langzeitreise so schnell nicht wiederholt wird, haben wir uns für das Letztere entschieden. Mein Mann trotz Höhenkrankheit. Und ich trotz höllischer Knie- und Rückenschmerzen. Diese Schmerzen quälen mich beim Wandern auch 4 Jahre später noch.
Ist man nicht gerade auf einer open-end Weltreise, hat man auf einer Langzeitreise oft ein vollgepacktes Programm für jeden einzelnen Tag. Man möchte ja schließlich möglichst viel aus der freien Zeit machen und möglichst viele Orte sehen. Was des Öfteren dazu führt, dass man eher den früheren Bus nimmt, auf einen Reservetag für Unvorhergesehenes verzichtet und sich kein Faulenzen gönnt.
Man ist zwar kurz aus dem Hamsterrad in der Heimat ausgebrochen, aber der Tag ist oft so durchgetaktet, dass es einem ähneln kann. Planen, Sehenswürdigkeiten besichtigen, Essen besorgen, sich um die Wäsche kümmern, planen, recherchieren, umplanen, wieder recherchieren. Hat einen schon wieder der Magen Darm erwischt, fährt man trotzdem weiter und versucht es trotzdem irgendwie möglichst viel vor der Bucketlist abzuhacken. Oder, alternativ, spielt man fast schon mit dem Gedanken dankbar dafür zu sein, denn die Krankheit liefert einem einen Grund auf ein paar Aktivitäten zu verzichten und einfach nur im Bett bleiben zu dürfen. Ohne schlechtes Gewissen.
Reisen gibt uns nicht nur die unglaublich wertvolle Möglichkeit in andere Kulturen einzutauchen, sondern auch die Gelegenheit uns selbst besser kennenzulernen. Würde ich die Reise noch Mal machen? Natürlich! Es war jeden Schmerz und jedes Leiden wert. Jedoch habe ich aus der Erfahrung auch viel für mich und über mich gelernt und weiß jetzt besser, wie ich reisen muss und worauf zu achten ist.
Gegen Ende der Reise habe ich mit Erschrecken feststellen müssen, dass mir durch den Kopf ein Gedanke ging, den ich bis dato nicht für möglich gehalten habe: „Ich möchte nach Hause“. So wundervoll und unvergesslich diese Reise war…dennoch wollte ich in meine gewohnte Umgebung zurück.
Es war nicht das Pech mit dem Gepäck, nicht die Höhe und nicht die Überforderung durch die Wanderungen. Es waren die Kleinigkeiten. Ich habe das gute Internet vermisst, ich habe meine Couch und Lieblingsdecke vermisst, ich habe meine Katze vermisst.
Nach 9 Wochen habe ich feststellen müssen, dass mein Rücken es leid war, auf den schlechten, viel zu harten Matratzen zu schlafen. Dass auch mein Nacken die zu großen und harten Kissen nicht mehr ertragen wollte und dass der ständige Lärm in den hellhörigen Zimmern der Zwei- bis Drei-Sterne Hotels mir zunehmend auf die Nerven ging.
Dass ich dessen auch überdrüssig war, wieder mal unausgeschlafen und völlig gerädert durch die Berge zu wandern und der Höhenkrankheit zu strotzen. Und dabei nicht einmal einen vernünftigen Kaffee bekommen zu können.
Auch wenn die Höhenkrankheit nach 6 Wochen kein wesentliches Thema mehr war und wir die Zeit in Peru und Bolivien sehr genossen haben, so haben diese Abenteuer dennoch stark an meinen Kräften gezerrt.
Dass es den meisten Reiselustigen auf Langzeitreise nicht (immer) so wie mir gehen muss, ist auch klar. Jeder ist anders und benötigt ein anderes Umfeld. Das beste Beispiel dafür ist mein Mann. Während ich mich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen in den Flieger Richtung Deutschland setzte, hätte er noch weitere 5(0) Monate unterwegs sein können. Von Heimweh keine Spur.
Aufgrund meiner Erfahrungen interessiert mich diese Frage immer brennend, ob der ein oder andere Weltreisende auch mal Heimweh oder diesen Zustand der Reisemüdigkeit auf seiner Langzeitreise hatte. Die meisten kennen das Gefühl nicht und würden am liebsten unendlich auf Reisen sein.
Ich dagegen habe meine Lektion gelernt und werde unsere Weltreise entsprechend mit zahlreichen Ruhetagen und sehr langsamen Tempo planen, um zukünftig der Reisemüdigkeit vorzubeugen.
Sehr interessant fand ich vor allem Ulrike’s Erzählungen zur Reisemüdigkeit auf ihren Reisen in Asien, Indien und Nepal. Wer mehr zum Thema lesen möchte: Bambooblog. Auch sonst sehr empfehlenswerter Blog!
Wie sieht es bei euch aus? Wart ihr auch schon mal reisemüde? Habt ihr auf Reisen mal das Gefühl gehabt, ihr seid ausgelaugt und möchtet einfach nur heim? Schreibt es gerne in die Kommentare.
Pingback: Langzeitreise - Keine Lust mehr | Bambooblog Hamburg
Hey, finde deine Reisemüdigkeit absolut nachvollziehbar. Ich war das erste Mal nach etwa 2 Jahren auf Weltreise reisemüde. Allerdings nehmen wir uns auch meist viel Zeit für ein Land und planen ausreichend “Chill-Tage” ein. Dennoch sind wir mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem wir einfach all das Erlebte nicht mehr richtig verarbeiten können und uns langsam nach einem “Zuhause” sehnen. Liebe Grüße aus Neuseeland, Jenni
Hi Jenni, danke für deinen Kommentar. Das kann ich mir gut vorstellen, dass nach solch einer langen Reise die Sehnsucht nach einem festen Ort und Beständigkeit aufkommt. Langsames Reisen ist bestimmt hilfreich, aber trotzdem lebt man Monate oder Jahre aus dem Koffer. Ich brauche definitiv ein Zuhause 🙂 LG Katja